Kirchen schließen, oder…?
Am 30.8. machte sich eine Gruppe Interessierter auf den Weg, um über den Tellerrand zu schauen. Eingeladen vom Ortsgemeinderat Edith Stein wollten sie Inspirationen für die Zukunft unserer Kirchen suchen. Wie gestalten andere ihre Kirchen neu, um die Herausforderungen der Zeit anzunehmen? Wie können die zu großen Räume neu und anders genutzt werden?
St. Michael – Eventlocation im Brennpunkt - oder lieber ein Sofa?
Die Gemeindeneugründung „Kirche für Köln“ will das Kirchengebäude offen gestalten.
Diakon Uli Merz setzt auf musikalische Moderne und gute Predigten, Im Belgischen Viertel gilt es Menschen anzulocken. Vor allem die Kirchenfernen sind im Focus und die, die in der traditionellen Kirche nur mühsam willkommen geheißen werden: z.B. Menschen, die sich queer stellen.
„Vergiss alles, was du über Kirche denkst! Wir haben St. Michael richtig aufgemotzt und in echte Event-Location verwandelt. Hier gibt’s nicht nur Weihrauch und Gebete, sondern richtig was auf die Ohren und für die Augen! Krasse Technik für mega Erlebnisse.“ O-Ton Uli.
Der Kirchenraum ist geteilt durch einen deckenhohen schwarzen Vorhang, so dass man sich beim ersten Betreten eher wie in einem riesigen Probenraum fühlt. Links empfängt die Besucher eine kleine Bar mit Getränken. Eine besondere Gestaltung mit der Regenbogenfahne weckt Aufmerksamkeit. Uli Merz serviert und so sitzen wir vollkommen ungewohnt mit einem Fläschchen in der Hand während seines Berichtes auf Sesseln, Stühlen und Sofas. Auf der linken Seite befindet sich eine große Couchgarnitur. Eine überdimensionale rosa Blüte öffnet sich seitlich auf der Bühne. Ungewöhnlich allemal.
Angesprochen auf seine Erfolge bei der Neugewinnung von Christen wirkt Uli eher verhalten. Das gehe sehr langsam voran. 40 – 50 Gottesdienstbesucher finden sich aber mehr oder weniger regelmäßig ein. Ein klassischer sakrale Raum für die klassische „Restgemeinde“ befindet sich abgetrennt hinter dem riesigen schwarzen Vorhang, hier ist die Kirche traditionell.
Kirche auf Rollen – Kirche für Leib und Seele St. Karl Borromäus in Sülz-Klettenberg
Als die Kirche wegen mangelnder Besucherzahlen und trotz Zusammenlegung geschlossen werden sollte, entschied man sich zu einem radikalen Schritt. Bänke raus und Nutzungsvielfalt proben!
Caritas und Verkündigung heißt das Konzept:
Das gesamte Mobiliar dieser Kirche ist mobil. So sind kleine Räume möglich, Meditationsecken, Zimmer quasi. In verschiebbaren Schränken verbergen sich Haushaltswaren zum Tausch, eine Kleiderkammer, eine Bücherei. Es gibt eine Tafel für Bedürftige, eine gut ausgestattete Küche, die pro Woche eine kostenlose warme Mahlzeit anbietet. Nur der Nachschlag kostet eine Spende.
So entsteht ein überschaubarer, wenn auch sehr hoher Raum für die Gottesdienste (samstags, ca. 20 Besucher und dienstags fünf bis zehn). Vereinzelte Gottesdienste an zweiten Feiertagen oder Taizégebete „runden“ das Angebot ab. Über allem schwebt eine himmelblau gestrichene Decke, Hier gibt es sogar ein paar Grünpflanzen und ein umwerfendes Wandgemälde im Altarraum.
Das Glück dieser Kirche ist der lichte säulenlose Raum, der sehr viel Gestaltung zulässt. Und dieser Freiraum wird von vielen Ehrenamtlichen rege genutzt. Die solide Finanzierung – den 1. FC als Sponsor muss man erst einmal gewinnen – wird immer wieder sichtbar. Neben den Angeboten für den Leib gibt es vieles für die Seele, das nicht unbedingt Gottesdienst, aber immer Dienst am Nächsten ist. Gesprächs- und Arbeitskreise, Wohlfühl- und Bewegungsangebote, Beratung durch die Caritas und die „Heilsame Nacht“ in immer neu entstehenden und sich wandelnden Räumen.
Eben Kirche für Leib und Seele.
Dorothee Brömmelhaus