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Tagebücher als Zeitzeugen – Einblicke durch Galen-Sekretär Heinrich Portmann

In fremden Tagebüchern zu lesen ist ebenso spannend wie es den Hauch von etwas Verbotenem besitzt – darf man wissen, was der Schreiber nur dem Papier anvertraut hat? Bei den Tagebüchern von Dr. Heinrich Portmann, dem Sekretär von Kardinal von Galen, muss es der Historikerin und Galen-Kennerin Ingrid Lueb zunächst ähnlich gegangen sein, als sie im Jahr 2005 dessen über 60 Jahre als verschollen geltende Tagebücher von der Familie zur Verfügung gestellt bekam. Jetzt stellte sie ihr Buch über diese Tagebücher im Pfarrheim an der Mauritzkirche vor.

Pfarrer Hans-Rudolf Gehrmann begrüßte die Referentin und zahlreiche Interessierte nur wenige Meter Luftlinie vom Franziskushospital entfernt, in dem der Kardinal am 22. März vor 70 Jahren gestorben war. Aber auch nur wenige Meter von der Erpho-Kapelle entfernt, in der der „Löwe von Deutschland“, wie ihn die begeisterten Römer anlässlich der Kardinals-Erhebung 1946 genannt hatten, danach aufgebahrt war. Dass es im Turm der Mauritz-Kirche seit 1989 eine Glocke mit dem Namen von Galens gibt, hatte auch der Pfarrer erst kürzlich erfahren.

Acht der neun Tagebücher gefunden

Die Familie des Priesters, Bischofs-Sekretärs und späteren Galen-Biografen hatte 2005, im Jahr der Seligsprechung des Kardinals, ihre sieben der offenbar neun Tagebücher der Historikerin anvertraut und ihrer Auswertung und Bearbeitung für eine Buch-Edition zugestimmt. „Damit öffnete sich ein Füllhorn“, ließ Ingried Lueb die Zuhörenden an ihrer Faszination teilhaben. Hinzu kam, dass sich ganz unerwartet noch die besonders wichtige erste Kladde – die den Beginn der Zusammenarbeit von Portmann und Bischof von Galen ab November 1938 beleuchtet – im Nachlass seiner Schwester fand. So hatte Lueb 810 Seiten mit 558 Einträgen sowie 145 lose Einlagen als Quellen-Material vor sich liegen – „sie erlauben authentische Blicke hinter die Kulissen und ein wesentlich differenziertes Bild des Kardinals“, so formulierte sie.

Rom-Fahrt, Jubel und Tod

Ingried Lueb nahm die Zuhörenden mit auf eine historische Reise, die in ihrer ersten Teiledition  „Heinrich Portmann. Die Tagebücher des Sekretärs von Bischof Clemens August Graf von Galen“ die Zeit vom 23. Dezember 1945 bis zum 12. Juni 1946 beschreibt. Kardinalserhebung inklusive der beschwerlichen Reise nach Rom, der bejubelte Empfang in Münster nach der Rückkehr und der plötzliche Tod durch die Folgen der Blinddarmentzündung wurden lebendig: Zitate aus den Tagebüchern, anderen zeitgenössischen Quellen gegenüber gestellt, zeigten spannende Unterschiede und verwiesen vor allem auf die akribische Forschungs-Kleinarbeit, die Ingried Lueb geleistet hat. Genau dafür bedankte sich abschließend auch die Nichte von Heinrich Portmann, Margret Kreienbaum, die beim Vortrag mit ihrem Bruder anwesend war. „Wir wussten die Erinnerungen unseres Onkels bei ihr in guten Händen“. Und da Heinrich Portmann – auch als Biograf des Kardinals – sich ganz in den Dienst des lebenden und des toten Bischofs von Münster gestellt hatte, darf man seine Tagebuch-Eintragungen als Zeitdokumente eben auch lesen. Mit allen Ecken und Kanten und manch schmerzhaften Wegmarken darin, aber auch oft voller Humor und Überraschungen.  

Die Teiledition erscheint voraussichtlich im Mai im Dialogverlag, Münster.

Text und Fotos: Heike Hänscheid